Wolle und Wunder in Kiel

Ich liebe es, wenn Menschen ihrem Leben eine völlig neue Richtung geben, an einem bestimmten Punkt sagen: Ich fang noch einmal von vorn an. Sei es privat oder beruflich. Eine von ihnen ist Britta, eine liebe Ex-Kollegin, mit der ich vor einiger Zeit das Magazin Glückswerk gestaltete. Sie arbeitet inzwischen nicht mehr als Journalistin, stattdessen verkauft sie Wolle & Wunder. Wie es dazu kam, erzählt sie uns hier.

Wolle & Wunder – Das Interview

Wolle und Wunder in Kiel
Wolle & Wunder in Kiel
Nic: Du hast lange als Journalistin gearbeitet, wie entstand der Gedanke, diesem Beruf den Rücken zu kehren und ein Wollgeschäft zu eröffnen?
Britta: Mir ist über die Jahre irgendwann die Leidenschaft fürs Schreiben verlorengegangen. Nach mehr als 20 Jahren in dem Beruf hatte ich bei jedem Auftrag – egal zu welchem Thema – das Gefühl „Ach, schon wieder …“.

Und dann noch die stetig sinkenden Honorare bei zugleich steigendem Zeitdruck und Anspruch! Andere Aspekte des Jobs – wie Seminare zu geben oder neue Magazine zu entwickeln – habe ich zwar heiß und innig geliebt, aber wie häufig bekommt man schon solche Aufträge? Der Gedanke „Das kann doch noch nicht alles gewesen sein?“ kam mir immer öfter. Als eine Verwandte erzählte, das Kieler Wollgeschäft, in dem sie arbeitete, würde bald schließen, kam das genau zum richtigen Zeitpunkt. Da ich kurz zuvor ein kreatives Magazin für Selbermacherinnen entwickelt hatte, wusste ich genau, welche Chancen diese Branche bietet.

Wieviel Zeit verging von der ersten Idee bis zur Eröffnung von Wolle & Wunder?
Mehr als ein Jahr. Zuerst war da die Idee, das andere Wollgeschäft zu übernehmen und weiterzuführen. Dafür habe ich intensive Marktforschung betrieben und Informationen zusammengetragen – von Mietpreisen für Immobilien in Kiel über die Gewinnspannen bei Wolle bis zur detaillierten Konkurrenzbetrachtung.

Aus diesen Informationen wurde ein Konzept mit Finanzplan, das ich von IHK und einem Unternehmensberater prüfen ließ. Als die geplante Übernahme scheiterte, wollte ich mein Geschäftskonzept eigentlich schon in die Schublade packen – dann erzählte mir jemand von einer freien Geschäftsfläche in guter Lage an der beliebten Holtenauer Straße in Kiel zu einem vernünftigen Preis. Umbau, Renovierung und Einrichtung haben dann auch nochmal ein paar Monate gedauert, aber Anfang November 2016 habe ich endlich eröffnet!

Kassenchaos, Lieferprobleme und Handwerker-Abenteuer

Mit welchen Herausforderungen, die du vorher nicht erwartet hattest, wurdest du konfrontiert?
Mit so einigen. Ich bin ziemlich realistisch an die Gründung herangegangen – aber ich habe unterschätzt, was für Probleme sich ergeben können: Ausfälle des Kassensystems, Schwierigkeiten mit Lieferanten, Ärger mit Handwerkern. Zwei Tage vor Eröffnung war die Wolle noch immer nicht da – einen Tag davor wurden die mehr als 30 echt großen Kartons versehentlich nicht ans Geschäft geliefert, sondern vor meinem Wohnhaus auf dem Gehweg abgeladen …

Zum Glück haben Freunde im Handumdrehen einen Lieferwagen organisiert und beim Einräumen geholfen – sonst hätten wir mit leeren Regalen eröffnen müssen. Komplett unterschätzt habe ich auch den bürokratischen Aufwand, wenn man Mitarbeiter beschäftigt. Zwei Wochen habe ich versucht, das Thema Lohnbuchhaltung selbst zu bewältigen. Und wurde fast wahnsinnig. Seitdem macht das ein Dienstleister für mich.

Erzähl uns doch ein bisschen über dein Geschäft …
Die knapp 65 Quadratmeter sind natürlich zum großen Teil mit Wolle in allen Farben und Qualitäten gefüllt – dazu Zubehör wie Strick- und Häkelnadeln, Knöpfe oder Scheren. Aber ich verkaufe auch Wunder: handgemachte Unikate wie Taschen oder Deko-Objekte, selbstentworfene Postkarten, Kiel-Poster, gestrickte oder gehäkelte Einzelstücke.

Ich habe 5 Mitarbeiterinnen, die eigentlich alle schon im Ruhestand sind – und einen unglaublichen Erfahrungsschatz haben, was Stricken und Häkeln angeht, den sie auch gern weitergeben. Wir haben Montag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr geöffnet und am Samstag von 10 bis 16 Uhr. Und immer am ersten Freitag im Monat – wie fast alle anderen Geschäfte an der Kieler Holtenauer Straße – bis 22 Uhr. Dann treffen sich bei uns Strick- und Häkelbegeisterte bei einem Gläschen Prosecco zum Handarbeiten und Schnacken.

Workshops und Arbeit ohne Ende

Du bietest verschiedene Workshops an, erzähl uns bitte etwas darüber!
Wir veranstalten regelmäßig Anfängerkurse für Stricken und Häkeln, aber auch immer wieder besondere Events und Projekt-Kurse. Zum Beispiel Flip-Flops behäkeln, Dreieckstücher stricken, Spinnen, Tunesisch häkeln oder demnächst auch mal eine kreative Stempel-Party, bei der man tolle Karten oder Boxen aus Papier fertigt. Die Termine findet man auf unserer Website www.wolle-und-wunder.de oder bei Facebook!

Wie gestaltet sich dein Alltag heute im Vergleich zu früher?
Ich arbeite mehr als jemals zuvor. Natürlich stehe ich selbst fast täglich im Laden und bin auch abends bei den Kursen meistens dabei. Und Zuhause warten ja noch To Dos wie Buchhaltung, Bestellungen, Werbung, Websitepflege oder die Suche nach neuen Artikeln für mein Sortiment. Eigentlich habe ich immer zuwenig Zeit und muss drauf achten, dass meine Familie dabei nicht zu kurz kommt. Der Unterschied ist: Ich arbeite für mich, entscheide alles selbst und kann mir meine Zeit einteilen, wie ich es will. Und das ist ein unvergleichlich gutes Gefühl.

Wolle und Wunder in Kiel
Toller Hingucker bei Wolle & Wunder in Kiel
Vermisst du deinen ersten Beruf manchmal? Gibt es Situationen, in denen er dir für deine neue Aufgabe hilfreich ist?
So ganz hinter mir lassen werde ich den Journalismus wahrscheinlich nie. Ich vermisse das Schreiben überhaupt nicht, aber ich bin nach wie vor interessiert, was so in der Medienlandschaft passiert. Außerdem mache ich Pressearbeit für mein eigenes Geschäft – da hilft es ungemein, zu wissen, was Journalisten brauchen und wünschen. Und meine Pressekontakte von früher haben mir schon oft weitergeholfen!

Wolle & Wunder – Die erste Adresse für Stricken und Häkeln

War es die richtige Entscheidung, diesen Schritt zu gehen?
Ich habe es noch keine einzige Minute bereut. Klar, finanziell ist es derzeit eng, bis der Laden richtig läuft. Da brauche ich noch ein bisschen Geduld. Dafür habe ich jeden Tag Kundinnen, die schon voller Vorfreude mein Geschäft betreten, begeistert sind über die vielen Farben und die Atmosphäre und die schließlich überglücklich mit Wolle für ihr nächstes Projekt abziehen. In welchem anderen Job kann man so etwas täglich genießen?

Wolle und Wunder in Kiel
Zeitlos lecker! Häkelmuffins bei Wolle & Wunder in Kiel
Welche Ziele hast du für dein neues Business?
Ich möchte in Kiel die erste Adresse für alles rund um Stricken und Häkeln werden. Und irgendwann wäre es natürlich schön, wenn ich mit Wolle & Wunder auch Geld verdienen würde. Beides halte ich noch in diesem Jahr für realistisch.

Wie steht es um dein eigenes Können in Sachen Stricken, Häkeln & Co.?
Es wissen nicht viele, aber meine praktischen Fähigkeiten sind rudimentär … Schon zu Schulzeiten habe ich im Handarbeitsunterricht wenig Talent gezeigt. Inzwischen habe ich natürlich unsere eigenen Anfängerkurse mitgemacht, kann leidlich stricken und deutlich besser häkeln. Und ich lerne jeden Tag dazu!

Wolle und Wunder in Kiel
Britta Janzen von Wolle & Wunder in Kiel
Wolle & Wunder im Überblick:

Adresse: Holtenauer Straße 74, 24105 Kiel
Öffnungszeiten: 
Montag – Freitag 10 bis 18 Uhr, Samstag 10 bis 16 Uhr, jeden ersten Freitag im Monat: Spätschicht – geöffnet bis 22 Uhr
Im Netz: Website & Facebook

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8 Kommentare

  1. Hach – ich mag das total, wenn Menschen so mutig sind und einen Traum verwirklichen…
    Und noch mehr mag ich es, wenn der Plan funktioniert – also drücke ich alle Daumen und Zehen für Wolle & Wunder :-)

  2. Ganz große Klasse, liebe Britta! Ich bin so begeistert, dass jemand wie du den Faden wieder aufgreift und einen inspirierenden Handarbeitsladen eröffnet. Wirklich schade, dass Wolle & Wunder so weit weg ist, sonst käme ich wohl öfter bei dir vorbei.

    1. Liebe Fiona, ich finde es auch großartig, was Britta da auf die Beine gestellt hat. Und ich bin überzeugt davon, dass es funktioniert. Lieben Gruß Nicole

  3. Was für ein wunder-barer Artikel, vielen Dank!
    Das Herzblut, mit dem Britta an die Sache herangegangen ist und noch herangeht, ist aus jeder Antwort herauszulesen.
    Wäre der Laden nicht ziemlich genau am anderen Ende der Republik für mich, wer weiß … ich könnte doch noch zum Handarbeits-Profi werden ;-)
    Vielleicht wäre ein nächster Schritt ein Workshop in Verbindung mit dem Hotel- und Gaststättenverband sowie der Tourismus-Agentur? Dann hätte man einen Urlaub im hohen Norden mit einem sehr speziellen Schwerpunkt.
    Falls es so etwas geben sollte, bitte Nachricht an mich

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