Vor ein paar Monaten durfte ich für die FUNK UHR die Lehrerin Betül Durmaz interviewen und aus ihrem Alltag als Lehrerin berichten. Eine beeindruckende Frau, die Nic mag! Ohne wenn und aber.

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Lehrerin mit Herz

Dienst nach Vorschrift, lebensfremder Unterricht, wenig Interesse an den Schülern und ständig Ferien – Lehrer haben in Deutschland nicht das beste Image. Eine, die sämtliche Vorurteile widerlegt ist Betül Durmaz (45). Seit 13 Jahren unterrichtet sie an einer Gelsenkirchener Förderschule Kinder und Jugendliche der Klassenstufen eins bis zehn. Die Förderschule liegt in einer wenig begehrten Wohnlage von Gelsenkirchen, hier werden Kinder unterrichtet, die den Anforderungen einer Regelschule nicht genügen und an einer normalen Grund- oder Hauptschule nicht entsprechend gefördert werden können. Betül Durmaz erzählt: „Viele Schüler haben Probleme mit dem Sozialverhalten, vor allem in Konfliktsituationen. Anderen fehlt es an Selbstvertrauen. Das häusliche Umfeld bietet ihnen oft keine Rückzugsmöglichkeiten oder Ruhezonen zum Erledigen der Hausaufgaben. Das heißt, Lernschwächen werden noch verstärkt.“ Es sind also vorwiegend Problemkinder, mit denen die Lehrerin täglich zu tun hat, 70 Prozent der 170 Schüler stammen zudem aus Migranten-Familien.

Schlagen, stören, schwänzen

Da gibt es streng religiöse Familien, die ihren Töchtern die Teilnahme am Sportunterricht verbieten. Kinder, die zu Hause mit Schlägen erzogen werden und ihren Mitschülern gegenüber äußerst aggressiv auftreten. Familien, denen es vollkommen egal ist, dass ihre Kinder permanent den Unterricht stören oder schwänzen. Für Betül Durmaz schwierige Voraussetzungen. „Es gibt Tage, da bin ich komplett erschöpft und frage mich: ,Was hast du eigentlich den ganzen Tag gemacht?‘“, gibt die Lehrerin ganz offen zu. „Grundsätzlich versuche ich, jedes Kind zu stärken. Mein Motto lautet: Fördern und fordern! Die Welt kann ich leider nicht retten, aber ich versuche, meinen Job so gut es geht zu meistern, und das ist leider oft wirklich frustrierend.“

Aufgeben kommt nicht infrage

Aufgeben käme für Betül Durmaz trotzdem nicht infrage. Sie nimmt sich viel Zeit für ihre Schüler, versucht herauszufinden, wo die Ursachen für die Probleme jedes Einzelnen liegen. Wenn es nötig ist, besucht sie auch die Familien zu Hause, um sich einen besseren Eindruck verschaffen zu können. „In meinem Job ist es nie langweilig, und ich erlebe immer viel. Meine Erfolgserlebnisse bzw. Ziele sind andere als bei anderen Pädagogen. Wenn ein libanesisches Mädchen zu mir sagt: ,Meine Tochter soll es einmal besser haben als ich‘, ist das schon ein Erfolg für mich. Viele Schüler vermissen uns in den Ferien. Ich weiß, dass die Schule der einzige Bereich ist, in dem sie ihre Individualität ein wenig leben können. Außerdem habe ich schon einigen hoffnungslosen Fällen das Lesen, Schreiben und Schwimmen beigebracht – oder ganz einfach Freude an der Bewegung. Das liebe ich!“

Grenzen überschreiten

Obwohl, oder gerade weil Betül Durmaz selbst gebürtige Türkin ist, ist sie für viele Eltern muslimischen Glaubens eine Reizfigur. „Ich entspreche natürlich nicht ihrem religiösen Weltbild“, erklärt sie, „ich trage kein Kopftuch, ich bin alleinerziehend und geschieden, und dann war ich auch noch mit einem deutschen Mann verheiratet. Das sind alles Grenzen, die ich überschreite. Für strenggläubige Muslime ist ein Leben wie das meine undenkbar. Wir haben es mit vielen orthodoxen Familien zu tun, die ihr eigenes Wertesystem haben, in denen eine individuelle Entwicklung oder ein beruflicher Werdegang für Mädchen nicht gewünscht wird. Dagegen sind wir machtlos. Ich sehe aber auch die Gründe, aus denen sich immer mehr Menschen in ihre Tradition und Religion zurückziehen. Da sind Gesellschaft und Politik gefordert, damit solche Parallelgesellschaften nicht ausufern.“

„Ich mache etwas Sinnvolles“

Für den Beruf der Lehrerin entschied Betül Durmaz sich 1999, nachdem sie bereits einige Jahre als Flugbegleiterin gearbeitet hatte, aus rein praktischen Gründen. „Ich wünschte mir ein Kind und überlegte, welcher akademische Beruf mit der Rolle als Mutter gut zu vereinbaren wäre und was mir persönlich liegt. Da ich Kinder schon immer mochte, lag der Lehrerberuf nah. Und insbesondere Sonderpädagogen wurden gesucht, sodass ich auch wirklich einen Job finden würde.“

Was sie im Alltag erwarten würde, konnte Betül Durmaz damals noch nicht einmal im Ansatz erahnen. Und vielleicht ist das auch ganz gut so. Denn Lehrer wie sie, die sich auch für Problemfälle einsetzen, kann es gar nicht genug geben. Und das schönste Kompliment für ihre Arbeit bekommt Betül Durmaz von vielen ihrer ehemaligen Schüler. „Eine ganze Reihe von ihnen schaut regelmäßig in der Schule vorbei und besucht mich. Oft höre ich von ihnen, dass die Schule die schönste Zeit für sie war. Das gibt mir die Bestätigung: Ich werde in meinem Job gebraucht und mache etwas absolut Sinnvolles. Das ist toll!“

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Buchtipp:

Döner Machos und Migranten, von Betül Durmaz, Herder, Taschenbuch, 224 Seiten, 9,99 Euro,
natürlich auch als ebook bei amazon

Mehr Infos zu Betül Durmaz gibt es auf ihrer Homepage

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