Was war es früher mühsam, seltsame Käferchen und andere Insekten, die sich aus Versehen in menschliche Wohnräume verirrt hatten, zuzuordnen und adäquat zu behandeln … Dank globaler Insekten-Vernetzung, auch genannt In-ternet, ist inzwischen alles viel einfacher geworden, manchmal jedenfalls.
Sagen wir mal, es tummeln sich flatterhafte Flattermänner oder gepanzerte Krabbeltiere im heimischen Wohnzimmer. Dann reicht es oft schon, eben diese Stichworte per Suchmaschine um die Welt zu jagen und Sekunden später hat der moderne Rechercheur eine respektable Auswahl an Möglichkeiten und Bildern, die er nur noch zuordnen muss.
So kann es laufen – muss es aber nicht.
Nun begab es sich vor einigen Tagen, dass Nic in ihrem Wohnzimmer ein paar kleine Dinger entdeckte, die ganz sicher keine ordnungsgemäßen Ausweispapiere, geschweige denn einen Mietvertrag hatten.
Sie saßen recht friedlich auf dem Holzfußboden, neben dem Kamin, ein paar hingen auch verträumt an der Wand. Wir sind ja ein tierfreundlicher Haushalt, bevorzugen aber eindeutig Vierbeiner, gern mit Fell statt Panzer und Flügeln.
Um nun Name und Auftrag der Käferchen eingrenzen zu können, machte Nic sich auf die Suche im Netz. Es gibt da tolle Seiten, wie z. B. diese hier, betrieben von echten Diplom-Schädlings-Experten
http://www.schaedlingskunde.de/Diverse_htm/Schaedlings-Steckbriefe.htm
Oder man besucht eines von diversen Foren, in denen sich Menschen sehr hilfsbereit über allerlei Getier austauschen, fast wie im echten Leben, mit absoluter Stammtisch-Qualität.
Die Schädlings-App
Da diese Nachforschungen aber zu keiner eindeutigen Bestimmung führten, war Nic hellauf begeistert darüber, eine echte Schädlings-App ausfindig zu machen.
Die Firma Rentokil, die sich vollmundig Marktführer-Schädling, ach quatsch, der Marktführer im Bereich der Schädlingsbekämpfung, nennt, bietet seit 2012 eine App für Iphone und Android-Smartphones an. Besonderer Service: Man macht ein Foto der unerwünschten Gäste, sendet es an Rentokil und bekommt dann eine Einschätzung dazu, mit wem oder was man es zu tun hat.
Toll, toll, toll, dachte ich mir und schickte folgendes Bild:
Die Antwort von Rentokil kam ein paar Stunden später. Unter dem Betreff iSchädling (wow), enthielt sie folgenden Text:
Lieber App-User,
das von Ihnen übermittelte Bild zeigt möglicherweise mehrere
Brotkäfer (Stegobium paniceum)
Der Brotkäfer gehört zur Familie der Nagekäfer und zählt zu den bedeutendsten Vorratsschädlingen. Durch hohe Vermehrungsquote kommt es schnell zu großen Populationen und starken Schäden.
Verlieren Sie keine Zeit und kontaktieren Sie so schnell wie möglich die Rentokil Schädlingsexperten. Sie erreichen uns bundesweit gebührenfrei unter Tel. 0800-1718170.
Für weitergehende Informationen können Sie unser ausführliches Schädlingslexikon unter https://www.rentokil.com/de/haeufigste-schaedlinge/ besuchen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Rentokil Schädlingsexperten
Tel.: 0800-1718170 (0 ct./ min.)
Fax: 0800 1718001 www.rentokil.de
Das klingt dramatisch und ich war ein bisschen froh, dass ich keine Adresse angegeben hatte, sonst hätte vielleicht schon eine Hundertschaft Schädlingsbekämpfer vor der Tür gestanden. Bis an die Zähne bewaffnet mit Waffen, Sprays und sonstnochwas.
Nun hatte ich den Brotkäfer natürlich bei meiner Suche auch schon gefunden, fand aber die Ähnlichkeit nicht so eindeutig. Nach erneuter Überprüfung bei meiner Lieblings-Schädlings-Experten-Seite, antwortete ich also wie folgt an Rentokil:
Vielen Dank für Ihre Einschätzung!
Ich bin mir allerdings, schon aufgrund der Farbe, sicher, dass es sich nicht um Brotkäfer handelt:
Stegobium paniceum ist rostbraun gefärbt und wird bis zu drei Millimeter lang (s. Abb. 2 und 3). Der Brotkäfer gehört in die Familie der Nagekäfer (Anobiidae). Typisch für Anobiiden ist die Form des Halsschildes, des sog. Pronotums, das den Kopf wie eine Kapuze umschließt (s. Abb. 3). Die weißen Larven des Brotkäfers verpuppen sich in einem ovalen, aus Nahrungsteilchen gesponnenen Kokon.
Besten Gruß
Nic – Journalistin
Kursänderung
Nicht, dass ich undankbar für die Mühe der iSchädlinge wäre, andere lassen sich schon allein die Bestimmung eines Tierchens fürstlich-entlohnen, aber als waches Persönchen, hatte ich natürlich die schwammige Formulierung … es handelt sich möglicherweise … in Kombination mit SOFORTIGEM Handlungsbedarf sehr wohl wahrgenommen. Dahinter verbirgt sich Geschäftstüchtigkeit in ihrer schönsten Form. Aber so leicht lässt es sich mit mir eben nicht ins Geschäft kommen.
Die iSchädlinge ließen sich allerdings nicht von mir ins Bockshorn jagen. Sie scheinen auch wache Kerlchen zu sein, die merken, wenn sie jemanden vor sich haben, der skeptisch ist und dies auch noch von Berufs wegen. Nach nicht allzu langer Zeit schrieben sie mir deshalb:
Lieber APP-User, hallo Frau Nic,
danke für Ihre ausführliche Stellungnahme.
Wir antworten konkreter (und nicht mit “möglicherweise”), wenn es keine größeren Zweifel am Bestimmungsergebnis gibt.
Da gerade S. paniceum sehr variabel in der Größe (Ihr Bild ohne Maßstab, ohne Angabe zum Fundort) und die Farbe bei der Insektenbestimmung immer wenig verlässlich ist, erschien uns der nach vor gebogene Kopf (unter dem Halsschild liegend) ein Hinweis auf einen der häufigsten Vorratsschädlinge im Privathaushalt zu sein. Dieses Merkmal ist typisch für (u.a.) die Anobiidae. Leider sind die charakteristischen Fühler / Antennen der Brotkäfer nicht auf dem Foto zu sehen.
Leider können wir die Abbildungen, die Sie in Ihrer Antwort benennen, nicht in Ihrer Mail auffinden (nur das eine Bild Ihrer ursprünglichen Mail). Danke auch für die Rekapitulation der Anobiidae – Merkmale, die uns natürlich bekannt, aber auf einem Foto nicht immer gut zu sehen sind.
Nutzen Sie gern weiterhin den kostenlosen Service von Rentokil und senden Sie gern weitere Bilder.
AHA! Der aufmerksame Leser stellt vielleicht, ebenso wie ich, eine deutliche Kursänderung fest:
… Wir können es auch nicht genau sagen, wir wissen natürlich all das, was Sie uns da schreiben, aber wir gucken uns gern weitere Bilder an …
Es bleibt halt nur die Frage, warum das nicht alles in Mail Nr. 1 stand …? …??
Oma Kasuppke von umme Ecke, hätte doch längst die Hundertschaft Schädlingsbekämpfer gerufen – immer vorausgesetzt, sie hätte ein Smartphone und würde eine solche APP nutzen.
Ich für meinen Teil, habe bisher nicht auf die zweite Mail reagiert. Natürlich würde ich weiterhin gern wissen, ob das vielleicht wirklich Brotkäfer waren und sind, oder eben entfernte Verwandte, Kollegen, Freunde. Was auch immer.
In Panik bin ich bisher nicht verfallen, die Kerlchen saßen ja nicht im Vorratsschrank sondern weit entfernt von jeglichen Lebensmitteln, im Großen und Ganzen sind sie inzwischen auch dem Feuer zum Opfer gefallen. Hier auf jeden Fall noch ein besseres Foto der Kollegen, vorerst exclusiv für NicMag-Leser.
Vielleicht hat ja einer von Ihnen einen klugen Tipp. Vielleicht schicke ich es auch noch an Rentokil, oder ich schicke Rentokil mal ein Foto unserer Katze. Allein, um zu sehen, wie die Antwort ausfällt.
Vermutlich im Stile von: Es handelt sich möglicherweise um eine Katze, rufen Sie sofort uns an, wir kommen vorbei und machen das weg …
In diesem Sinne: Einen schädlingsfreien Feiertag für Sie ;)
Hahahahahahaha :-)
:P