Havelufer

Früher fand ich es irgendwie uncool, wenn ältere Menschen sagten: „Es gibt doch so viele schöne Ecken in Deutschland …“ Der Satz implizierte schließlich, dass wir zunächst Urlaub um die Ecke anstreben sollten, bevor wir die nächste exotische Reise planen. Irgendwann kam dann die Erkenntnis: Sie haben recht. Zumindest gibt es hierzulande viele Ecken, die – auf ihre Art – mindestens ebenso reizvoll sind, wie viele Ziele in der Ferne. Zum Beispiel der Müritz Nationalpark.

Der Müritz Nationalpark – ein paar Eckdaten

  • Der Nationalpark umfasst eine Fläche von 32.200 ha, er wurde 1990 gegründet.
  • Fast 3/4 der Fläche sind Wald, vor allem Kiefern- und Buchenwälder.
  • Die Eiszeitlandschaft trägt den Namen Land der 1000 Seen, es sind allerdings „nur“ etwa 100 und viele kleinere Gewässer, die sich zur mecklenburgischen Seenplatte zusammenschließen.
  • Mit 117 km² ist die Müritz der größte See des Nationalparks und Norddeutschlands
  • Im Nationalpark leben 54 Säugetierarten, 214 Vogelarten, 16 Reptilien- und Amphibienarten, 61 Spinnenarmen und 625 Nachtschmetterlingsarten.
  • Besonders beeindruckend sind die vom Aussterben bedrohten Fisch- und Seeadler, sowie die Kraniche, die hier im Herbst auf dem Zug nach Süden rasten.

Naturcamping in Kratzeburg

Ausgangspunkt unserer Paddeltour durch den Nationalpark ist der Campingplatz Naturfreund im Örtchen Kratzeburg. Er liegt am Ufer des Käbelicksees am Waldrand. Zwar gibt es hier auch Dauercamper, sehr angenehm – im Vergleich zu vielen anderen Campingplätzen – ist aber, dass man nicht auf klar eingegrenzten Parzellen campiert. Statt dessen sucht sich jeder einfach ein Fleckchen auf einer der Wiesen, das ihm gefällt, und schlägt sein Lager auf. Man darf auch ein Feuerchen vor Zelt oder Campingmobil abfackeln und alles ist ganz entspannt (solange man keine Mückenphobie oder aber genug Gegenmittel dabei hat …)

Campingplatz Naturfreund Kratzeburg
Camping am Wald auf entspannte Art

Direkt auf dem Camping-Platz gibt es auch die Möglichkeit, Kanus oder Kajaks zu mieten und von hier aus zu einer Paddeltour zu starten. 27 Euro für ein Zweier-Kanu sind zwar nicht direkt der Schnapper des Monats, doch das, was dann folgt, ist jeden Cent wert. Paddel, Schwimmwesten und eine wasserdichte Tonne zum Verstauen von Wertgegenständen sind im Preis inbegriffen. Außerdem drückt uns die freundliche Bootsverleiherin ein Faltblatt mit Karten zur Orientierung auf dem Wasser in die Hand – schon ein bisschen nützlich ;)

Wasserwandern Müritz-Nationalpark Karte
Unsere Tour vom Käbelicksee nach Babke ist rot-markiert

Paddeltour von Kratzeburg nach Babke

Kanu gemietet, Kopfbedeckung und Sonnencreme ordnungsgemäß angebracht, genug Wasser für unterwegs an Bord – los geht die Paddeltour bei strahlendem Sonnenschein. Die erste Etappe über den Käbelick-See ist nicht frei von Anstrengung, auf offenem See weht eine steife Brise. Doch während ich noch überlege, ob es ein Fehler war, die 2 x 8 km-Strecke auszuwählen, paddeln wir schon in die Havel, die hier sehr gemütlich und dicht bewachsen vor sich hinplätschert. Alles ist grün, die Bäume spiegeln sich im Wasser, ein Gänsepaar schaut uns interessiert vom Ufer an, vor Begeisterung glotze ich mit offenem Mund in die Natur und bekomme die Kamera nicht schnell genug aus der wasserdichten Tonne gezerrt …. Statt der Gänse lichte ich also puschelige Farne, Blümchen, umgefallene Bäume und den Steuermann ab.

Vorbei an Cafés und anderen Paddlern

Während der weiteren Tour denke ich überhaupt nicht mehr an die Anstrengung des Anfangs. Es gibt so viel zu sehen! Wir passieren Cafés mit Anlegestellen, Paddler-Rastplätze, lauschige Badestellen, sehen Vögel und eine offensichtlich sehr zufriedene Schildkröte beim Sonnenbad. Natürlich sind auch einige andere Paddler unterwegs, doch die meiste Zeit ist es einfach herrlich ruhig und entspannt. Bei Granzin schließlich kommt Leben in die Sache, hier gibt es eine geschützte Strecke, die nicht von Booten befahren werden darf.

Umtragen mit Lore

Gemeinsam mit anderen Boots-Ausflüglern hieven wir also Kanus und Kajaks an Land und schleppen sie zu einer kleinen Schienenstrecke. Mit etwas Glück wartet hier schon eine Lore, die jeweils vier Boote über 700 m zum Pagelsee befördert. Nun, wir haben nicht direkt Glück, aber es dauert nicht lang, da haben eifrige Menschen eine Lore herbeigeschafft, die Boote werden verladen und wir traben hinter den schwer motivierten Kollegen und unserem Kanu her … aufregend, das alles.

Die letzte Etappe bis zur Fischerei Babke

Nach dem Warten, Umladen und durch den mückenreichen Wald laufen, ist es herrlich, wieder im Boot zu sitzen und die letzte Etappe bis zum Ziel in Angriff zu  nehmen. Ein paar Kilometer liegen noch vor uns, aber wir sind inzwischen sehr eingespielt und paddeln als hätten wir nie etwas anderes getan. Schließlich landen wir in Babke, wo es für alle, die weiterfahren, noch einen weiteren Umladeplatz gibt, und für alle, die eine Rast einlegen, leckeren Bratfisch und ein kühles Getränk. So auch für uns :)

Herrliche Rast und Heimreise mit langen Armen

Nach 8 km paddeln schmecken Fisch und Getränk mindestens doppelt so gut, wir überlegen kurz, ob wir uns vielleicht zurück an den Campingplatz beamen können. Aber das kommt natürlich nicht infrage. Ich sage mir und uns, dass der Heimweg erfahrungsgemäß deutlich kürzer ist, zumindest gefühlt, und wir hüpfen zurück in unser Kanu. Auf der Heimreise werden die Arme zwar noch ein bisschen länger, aber irgendwann verfalle ich in eine Art Paddel-Trance, Gedanken und Natur ziehen einfach so an mir vorbei und ich genieße es. Mehr Entspannung ist bei soviel Körpereinsatz kaum denkbar. Ein bisschen hoffe ich darauf, die Wildgänse vom Hinweg noch einmal vor die Kamera zu bekommen. Aber 4 Stunden wollten sie dann wohl doch nicht auf mich warten. Gut, dass ich sie auf meiner ganz persönlichen Festplatte abgespeichert habe :)

Geschafft – wenn der Sonnenuntergang noch ein bisschen schöner ist

Mit letzter Kraft paddeln wir schließlich an den Bootssteg des Campingplatzes zurück. Was für ein Ausflug! 16 km, 6 Stunden, soviele Eindrücke und dieses Glücksgefühl! Direkt noch einmal lospaddeln würde ich nicht für alles Geld der Welt, aber so eine Tour unternehme ich jederzeit gern wieder. Am Abend wird es dann zur Belohnung übertrieben kitschig, wie wir familienintern sagen. Der Sonnenuntergang zieht sich über Stunden hin und illuminiert den See romantischer als es jede Liebesschnulze könnte. Aber, wenn die Natur sich das so ausgedacht hat, nehmen wir es doch einfach mal dankend bei einem weiteren Kaltgetränk und einer wunderbaren Mahlzeit am See zur Kenntnis. In diesem Sinne: Paddelt doch auch mal durch den Müritz-Nationalpark, ich kann es nur empfehlen!

 

Ähnliche Beiträge

2 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert